Geschäftsmodelle und Geschäfte der Polizeigewerkschaften

Derzeit stürzen sich viele Medien und Angehörige von Gewerkschaften förmlich auf den (noch) Bundesvorsitzenden der DPolG, Rainer Wendt. Das ist ziemlich scheinheilig: Denn viele Redaktionen haben seit Jahren gut davon gelebt, ungeprüft das wiederzugeben, was ihnen Wendt in die Feder diktiert oder ins Mikrophon posaunt hat. Und die Gewerkschafts-„Kollegen“ von Herrn Wendt scheinen vor allem sauer darüber zu sein, dass die Affäre Wendt den Scheinwerfer der Öffentlichkeit auf mitunter fragwürdige Bezahlmodelle für ganz oder teilweise vom Dienst befreite Gewerkschaftsfunktionäre gerichtet hat, die nicht auch freigestellte Personalratsmitglieder sind.

Dabei ist es längst überfällig, sich einmal, losgelöst vom „Fall Wendt“, mit den Geschäften und Geschäftsmodellen der drei Polizeigewerkschaften in Deutschland zu beschäftigen. Das tun wir hiermit und beginnen mit der Gewerkschaft der Polizei (GDP), der mit Abstand größten, ja, nach eigener Aussage sogar weltweit größten Polizeigewerkschaft.

Polizeibeschäftigte und Mitgliedschaft in Polizeigewerkschaften in Deutschland

Polizeigewerkschaften haben in Deutschland eine enorm starke Marktstellung: Von den rund 311.000 Beschäftigten in deutschen Polizeibehörden [1] sind nur 7,1 % nicht gewerkschaftlich organisiert. Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) ist mit rund 180.000 Mitgliedern die größte und einflussreichste Gewerkschaft im Polizeibereich in Deutschland und nach eigenen Aussagen sogar die größte Polizeigewerkschaft weltweit. Darauf folgt die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) mit 94.000 Mitgliedern und weit abgeschlagen mit ca. 15.000 Mitgliedern der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) [a] [2].

Gewerkschaft der Polizei – GDP

Die Gewerkschaft der Polizei gehört zum Deutschen Gewerkschaftsbund, der politisch als der SPD nahestehend eingruppiert wird. Sie „vertritt die beruflichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Interessen der Beschäftigten und ehemals beschäftigt der Polizei. Sie erstrebt insbesondere die Verbesserungen der allgemeinen Arbeit-und Lebensbedingungen sowie des Beamten und Arbeitsrechts“. … „Die Ziele der GdP sollen erreicht werden durch Einwirkung auf die Gesetzgebung, Abschluss von Tarifverträgen, Verhandlungen mit den Behörden und, soweit erforderlich, durch Anwendung gewerkschaftlicher Kampfmittel. Sie beteiligt sich an den Wahlen zu den Betriebs-und Personalvertretungen und unterstützt die Betriebs-und Personalräte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.“ [3].

Zum Missverständnis über die Freistellung von Personalräten und Bezahlung von Gewerkschaftsfunktionären
Dieses Thema ist aktuell das heiße Eisen in der Diskussion um die Polizeigewerkschaften. Wer nicht dem weit verbreiteten Missverständnis aufsitzen will, muss unterscheiden: Zwischen der Tätigkeit von gewählten Personalräten und der Tätigkeit von Gewerkschaftsfunktionären. Personalräte werden von der Belegschaft der jeweiligen Behörde/Dienststelle gewählt. Die entsprechenden Wahlvorschläge, Wahllisten genannt, stellen vor allem die Gewerkschaften auf. Aus der Mitte der so gewählten Personalvertreter wählen diese einen Personalratsvorstand und einen Vorsitzenden des Personalrats. Wie bei jeder Wahl zählen auch da die Mehrheiten. Und weil die GdP stark an Mitgliedern ist, stellt sie auch häufig die Mehrheit bei den Personalratswahlen. Die Folge ist, dass häufig die GdP-Vertreter in den Personalräten in den Vorstand kommen. Und der Vorsitzende und einige Vorstandsmitglieder erhalten das Privileg, für ihre Personalratstätigkeit ganz oder teilweise freigestellt zu werden: Dann übernimmt die Dienstherr die Personalkosten. Wieviele Mitglieder im Personalratsvorstand tatsächlich für welchen Arbeitszeitanteil freigestellt werden, hängt von der Größe der Dienststelle/Behörde ab und damit von der Anzahl der Personalräte und Mitglieder in dessen Vorstand.

Reine Gewerkschaftsfunktionäre dagegen, wie die Bundesvorsitzenden der Polizeigewerkschaften, haben kein Anrecht darauf von einer Behörde bezahlt zu werden. Das ist der Grund für die derzeitige Diskussion um die Bezahlmodelle für die Bundesvorsitzenden Wendt (DPolG) und Schulz (BDK) aus Mitteln von Landesdienststellen. Die GdP hat der CIVES-Redaktion auf Anfrage mitgeteilt, dass ihr Bundesvorsitzender Oliver MALCHOW, sowie der NRW-Landesbezirksvorsitzende Arnold PLICKERT vollständig aus Gewerkschaftsmitteln bezahlt werden.

Organisation und Gewerkschaftsbezirke

Die Bundesorganisation der GdP hat die Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins [b]. Zur Gesamtorganisation gehören 18 regionale Gliederungen, so genannte Bezirke, nämlich 16 für die Bundesländer und je ein Bezirk für die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt.

Mitglieder der GdP

Mitglieder der GdP sind

  • die Beschäftigten der Polizeien des Bundes und der Länder,
  • die Beschäftigten des Vollzugsbereichs der Zollverwaltung (Bundesfinanzpolizei), sowie
  • Beschäftigte kommunaler und staatlicher Organisationen mit gefahrenabwehrenden überwachungs- oder ordnungsspezifischen Aufgaben.
  • Die Mitgliedschaft steht auch ehemals Beschäftigten der Polizei offen, sowie
  • Teilnehmern an berufsvorbereitenden Ausbildungen für den Polizeiberuf und
  • Leiharbeitnehmern in den entsprechenden Bereichen [4].

Mitgliedsbeiträge und Leistungen für Mitglieder

Die Mitglieder der GdP zahlen Beiträge an die Gewerkschaft, deren Höhe sich an der entsprechenden Besoldungs- bzw. Entgeltgruppe im Dienst bemisst. Die Mitgliedsbeiträge werden zeitnah nach jeder Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst angepasst. Rentner und Pensionäre zahlen 70%, Witwen 40% des Beitrags der aktiven Mitglieder. Ebenso zahlen Fachhochschüler ermäßigte Beiträge.

Höhe der Mitgliedsbeiträge

Dienstrang Besoldungsstufe Jahresbeitrag
PM A7 167 €
POM A8 174 €
PHM, PK, KK A9 202 €
POK, KOK A10 209 €
PHK, KHK A11, A12 238 – 257 €
EPHK, EKHK, PR, KR A13 288 €
POR, KOR A14 296 €
PD, KD A15 333 €
LPD, LKD, PP A16 367 €

Tabelle: Jährliche Mitgliedsbeiträge der GdP für Polizeibeamte nach Dienstrang und Besoldungsstufe, Stand 2017 [5]

Die GdP stellt also allein aufgrund ihrer vielen Mitglieder eine starke Wirtschaftsmacht dar: Ganz grob lässt sich anhand der Mitgliederzahlen und Jahresbeiträge ein Gesamtbetrag der Jahreseinkünfte aus Mitgliedsbeiträgen von mindestens 30 Millionen Euro schätzen [c].

Leistungen für Mitglieder

Für den Mitgliedsbeitrag haben die GdP-Mitglieder Anrecht auf Rechtsschutz, ein Versicherungspaket und die Nutzung von Informationsangeboten auf der GDP-Homepage und in Printmedien.

In ihrer Mitgliederwerbung erinnert die GdP ein wenig an eine Versicherungsgesellschaft: Sie stellt nämlich besonders die Risikoabdeckung in den Vordergrund: „Die Risiken eines verantwortungsvollen Berufes und unserer modernen, technisierten Umwelt kann niemand allein tragen. Die Gewerkschaft der Polizei bietet ihren Mitgliedern deshalb Leistungen an, die entweder durch den Gewerkschaft-Mitgliedsbeitrag abgegolten sind oder durch besondere Gruppen- bzw. Rahmenverträge zu besonders günstigen Konditionen angeboten werden.“ [6]

Umfassender Rechtsschutz

Auch aus dem Angebot für den „umfassenden Rechtsschutz“ gewinnt man den Eindruck, dass Polizeibeschäftigte einem sehr hohen Risiko von Streitfällen im Rahmen ihrer Polizeieinsätzen ausgesetzt sind. Und dass sie dafür grundsätzlich persönlich aufzukommen haben. Wird beispielsweise ein Polizeibeamter während eines Einsatzes durch die Widerstandshandlung eines Betroffenen verletzt, so verspricht die Gewerkschaft pauschal „geklagt wird dann gegen den Verursacher auf Schadensersatz und Schmerzensgeld“. [Was, nebenbei bemerkt, die hohe Quote an Widerklagen bei entsprechenden Strafanzeigen durch Betroffene erklären kann.]

Umfassende Unterstützung erhalten GdP Mitglieder auch, wenn es unterschiedliche Auffassungen zwischen Arbeitnehmer und Dienstherrn über die dienstliche Beurteilung gibt, die einer Beförderung vorausgeht.

Und selbst strafrechtliche Verfahren, z.B. nach Weitergabe von Dienstgeheimnissen sind „ein Fall für den GdP-Rechtsschutz“.

Versicherungspaket

Mit dem jährlichen Mitgliedsbeitrag ist auch ein Versicherungspaket abgegolten: Dazu gehören

  • eine Diensthaftpflicht-Regressverfahren, welche Mitglieder im aktiven Polizeidienst gegenüber Rückgriffs und Haftpflichtansprüchen des Dienstherrn (Bund oder Land) im Falle grob fahrlässigen Verhaltens schützt, [wie oft kommt das vor?]
  • eine Dienstfahrzeug-Regress-Versicherung bei Regressforderungen des Dienstherren, die sich aus dem Führen von Polizeifahrzeuge einschließlich -booten und -hubschraubern, sowie von Polizeihunden und Polizeipferden ergeben,
  • eine Unfallversicherung für Unfälle in und außerhalb des Dienstes,
  • eine Sterbegeldbeihilfe in Höhe von 410 € beim Tod des Mitgliedes oder seines Ehegatten
  • eine erweiterte Unfallversicherung für das Mitglied selbst den Ehe-Lebenspartner mit etwas erhöhten Erstattungsbeträgen, jedoch nur für solche Mitglieder die auch einen GdP-Rentenvertrag bei der SIGNAL IDUNA abgeschlossen haben.

Welchen Versicherungsschutz dieses Paket bietet zeigt die Übersicht in der Fußnote [d].

Das Geschäftsmodell der GdP

Das mit der Mitgliedschaft erworbene Versicherungspaket ist der am präzisesten zu definierende geldwerte Vorteil der Mitgliedschaft in der GdP.

Die Sache mit den Versicherungen ist allerdings ein „Geschäft“, das auch mit vielen Vorteilen für die Gewerkschaft selbst verbunden ist. Unserer Aufassung nach ist dies der Kern des Geschäftsmodells der GdP. Denn die GdP fungiert hier nicht nur als Mittler für den Abschluss neuer Versicherungsverträge bei der Aufnahme neuer Mitglieder. Sie ist auch direkt verbunden mit dem dabei beteiligten Versicherungsunternehmen: Aus den Werbeaussagen der GdP über ihre Leistungen für Mitglieder [6 bzw. d] gewinnt man noch den Eindruck, dass die mit der Mitgliedschaft erworbenen Versicherungsverträge bei der SIGNAL IDUNA abgeschlossen werden. Jedenfalls wird auf deren Allgemeine Versicherungsbedingungen verwiesen.

Die Polizeiversicherungs-Aktiengesellschaft

Tatsächlich heißt der Versicherer jedoch Polizeiversicherungs-Aktiengesellschaft (PVAG).

Die Polizeiversicherungs-Aktiengesellschaft (PVAG) ist der Versicherer für die Haftpflicht- und Unfallversicherungen, die im Mitgliedsbeitrag für jedes GdP-Mitglieder automatisch enthalten sind. Die PVAG versichert ausweislich ihrer Satzung nur Mitglieder der GdP und deren Ehegatten, sowie Beamte, Angestellte und Arbeiter aus anderen Körperschaften des öffentlichen Dienstes. Zusätzlich zu den Haftpflicht- und Unfallversicherungen bietet die PVAG den GdP-Mitgliedern gegen gesonderte Vergütung über den Mitgliedsbeitrag hinaus auch den Abschluss von Sachversicherungen an, wie z.B. eine Hausrat-, Wohngebäude-, Bauherren- oder Reisegepäckversicherung, ferner die Erhöhung der im GDP-Mitgliedsbeitrag schon enthaltenen Unfall-Versicherung und zusätzliche Haftpflichtversicherungen (Privat-, Tierhalter, Bauherren-, Haus- und Grundbesitzer-Haftpflicht).

Geschäftszahlen der PVAG

Der Versicherungsbestand der Gesellschaft lag 2015 bei 575.302 Verträgen. Das Gros der Versicherungsverträge, die von der PVAG selbst abgeschlossen werden, deckt sich mit den Versicherungsarten, die im Mitgliedsbeitrag für GDP-Mitglieder enthalten ist.

Die verdienten Nettobeträge aus dem gesamten Versicherungsgeschäft betrugen im Jahr 2015 37.647.170 €. Dem standen Aufwendungen in Höhe von 10.638.383 € gegenüber.

An Provisionen für das selbst abgeschlossene Versicherungsgeschäft weist die Gesellschaft für das Jahr 2015 einen Betrag von 9.082.346 Euro aus. Ob und wie viel dieser Provisionen direkt oder indirekt an GdP-Organisationen gezahlt wurden bzw. werden, konnten wir bisher nicht in Erfahrung bringen. Die PVAG hat keine eigenen Mitarbeiter. Demzufolge belaufen sich ihre gesamten Personalkosten, neben den Aufwendungen für Provisionen, auf ganze 40.000€ an Vergütungen für die beiden Vorstände. (Alle Angaben sind dem Jahresabschluss der PVAG per 31.12.2015 [7] entnommen.)

Anteilseigner der PVAG

Hauptaktionär der PVAG mit 51% der Anteile ist die SIGNAL IDUNA Allgemeine Versicherung AG. Die restlichen 49 % der Anteile werden direkt oder indirekt von GdP-Organisationen gehalten:
Rund 28% der Anteile stehen im Eigentum des wichtigsten Wirtschaftsunternehmens der GDP, das ist die Organisations- und Service Gesellschaft der Gewerkschaft der Polizei mit beschränkter Haftung (nachfolgend als OSG-GdP bezeichnet). Die OSG-GdP ist eine hundertprozentige Tochter der GdP. Die restlichen 21 Prozent der PVAG-Anteile werden gehalten von den GDP-Landesbezirken aus allen 16 Bundesländern, sowie einer ProPolice GmbH [e], die personell eng verflochten ist mit den Vorstandsmitgliedern des Bezirks Bundespolizei [8].

Anteilseigner an der Polizeiversicherungs-Aktiengesellschaft

Ausschüttung einer jährlichen Bardividende an die Anteilseigner

Die Anteilseigner der PVAG erhalten pro Jahr eine Bardividende von 234.435 Euro. Bei einer Verteilung entsprechend den gewinnbezugsberechtigten Aktienanteilen ergibt sich daraus ein Zufluss von 65.595 für die OSG-GdP und 49.278 Euro für die GDP-Landesbezirke [8] (unter der Voraussetzung, dass auch die SIGNAL IDUNA diese Dividende erhält, was nicht abschließend geklärt werden konnte).

Aufsichtsrat der PVAG

In der Satzung der PVAG [9] ist vorgesehen, dass mindestens sechs der neun Mitglieder des Aufsichtsrates den öffentlichen Dienst vertreten müssen.

Ausweislich der veröffentlichen Protokolle der Hauptversammlungen, sowie der Geschäftsberichte der PVAG, ist der Landesbezirksvorsitzende der GDP in Brandenburg, Andreas SCHUSTER, seit mindestens 2004 [f] Vorsitzender des Aufsichtsrates.

Weitere Vertreter der GDP im Aufsichtsrat (2015) sind derzeit [10] die Mitglieder im geschäftsführenden Bundesvorstand der GDP,

  • und GdP-Bundesvorsitzende KOR Oliver MALCHOW,
  • und stellvertretende GDP-Bundesvorsitzende PHK Dietmar SCHILFF
  • und GDP-Landesvorsitzende NRW, sowie stellvertretender GDP-Bundesvorsitzende, EKHK Arnold PLICKERT,
  • und Vositzende des GDP-Bezirks Bundespolizei, sowie stellvertretende Bundesvorsitzende PHK Jörg RADEK,
  • und Bundeskassierer der GDP und (bis 2014) Vorsitzende des GDP-Landesbezirks Hessen, EKHK Jörg BRUCHMÜLLER,
  • sowie der Polizeibeamte i.R., Heinrich SENKOWSKI, der frühere Kassierer des GDP-Landesbezirks NRW.

Die 100%ige Tochter der GdP, die Organisations- und Servicegesellschaft der GdP, die 28% der Anteile an der PVAG hält, ist im Aufsichtsrat der PVAG durch den Geschäftsführer Joachim KRANZ vertreten.

Vergütung der Aufsichtsräte

Widersprüchliche Angaben gibt es zu den Vergütungen für die Aufsichtsratsmitglieder der PVAG. Das Thema ist insofern interessant, als ja Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende der Konkurrenzgewerkschaft DPolG, erst über seine Aufsichtsratsbezüge von der AXA Versicherung ins Straucheln geriet: Denn er soll von der AXA 50.000 Euro pro Jahr für seine Tätigkeit als Aufsichtsrat erhalten haben. Dafür hatte er nach den aktuellen Medienberichten weder eine Nebenerwerbsgenehmigung seines Dienstherrn; noch hatte Wendt diesen „Nebenerwerb“ angezeigt.

CIVES hat daher sowohl bei der OSG-GdP, als auch bei der SIGNAL IDUNA bzw. PVAG nach den Vergütungen der Aufsichtsratsmitglieder der PVAG gefragt. In beiden Fällen lautete die Antwort sinngemäß, dass die Aufsichtsräte lediglich Reisekostenaufwendungen erstattet und „Tagegelder“ bzw. „Sitzungsgelder“ gezahlt bekämen. Auf unsere Anfrage, ob die in den Geschäftsberichten jeweils genannten Beträge von (im GB 2015) 23.717,34 €, als Vergütung für jeden einzelnen Aufsichtsrat oder als Gesamtbetrag für alle Aufsichtsratsmitglieder zu verstehen seien, hat uns ein Sprecher der SIGNAL IDUNA am 10.3. versichert, dass es sich dabei um die Summe der Ausgaben für alle Aufsichtsratsmitglieder für drei Sitzungen im Jahr handele.

Andererseits ist in der Satzung der PVAG [9] im Par 5, Abs. 5 ausdrücklich vorgesehen: „Die Vergütungen für die Mitglieder des Aufsichtsrates werden von der Hauptversammlung beschlossen.“ Das lässt sich so interpretieren und stünde ja auch im Einklang mit den Gepflogenheiten in anderen Versicherungsunternehmen (wie z.B. bei der AXA Versicherung), dass die Mitglieder des Aufsichtsrates der PVAG eine echte Vergütung für ihre Tätigkeit erhalten und nicht nur den Ersatz von Auslagen und „Sitzungsgeldern“.

Das Versicherungsgeschäft: Doppelter Vorteil für die GdP

Aus der Sicht der GdP und ihrer Bezirke sind die Mitglieder in zweifacher Hinsicht ein Einnahmefaktor: Zum einen durch die jährlichen Mitgliedsbeiträge, die einen zweistelligen Millionenbetrag von grob geschätzt mindestens 30 Millionen Euro in die Kassen der GdP-Organisationen spülen. Und zum anderen durch das Versicherungsgeschäft, welches die GdP für ihre Mitglieder abschließt bei einem Versicherungsunternehmen, an dem GdP-Organisationen direkt und indirekt beteiligt sind. Daraus lassen sich Provisionen erzielen, es fließen Einnahmen aus der Bardividende als Anteilseigner der PVAG, die Aufsichtsratsmitglieder erhalten möglicherweise gut dotierte Vergütungen für ihre Tätigkeiten und die Anteilseigner der PVAG, nämlich das GdP-Tochterunternehmen OSG-GdP mit 28% und die GDP-Bezirke mit 21%, profitieren von der Wertsteigerung ihrer PVAG-Aktien.

GdP und PVAG – Wirtschaftsfaktoren

Die OSG-GdP: Organisations- und Service-Gesellschaft der Gewerkschaft der Polizei mbH

Das wichtigste Vehikel für eine wirtschaftliche Betätigung der GdP und ihrer Suborganisationen ist die OSG-GdP, die „Organisations- und Service-Gesellschaft der Gewerkschaft der Polizei mbH“. Sie ist die Vermögensverwaltungsgesellschaft der GDP und hieß früher auch so. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Hilden und ist eingetragen im Registergericht des Amtsgerichts Düsseldorf unter der Nummer HRB 44964.

Der OSG-Webshop

Auf der Homepage der GdP ist die OSG ganz offen aufgeführt unter der Überschrift ‚Unsere Wirtschaftsunternehmen‘. Ein Klick auf das Logo der OSG führt zu einem OSG-Werbemittel-Shop. In einem 48-seitigen Katalog werden dort Anstecknadeln, Aufkleber, Tischfähnchen, Kaffeetassen, Schreibwerkzeuge, sowie Give Aways mit GDP-Logo zu Vorzugskonditionen angeboten. Im Angebot sind allerdings auch Lederwaren, Damen-, Herren- und Kinderartikel, Spiele, Technik, Armbanduhren, Textilien, Taschen, Koffer, Werkzeuge, Autoartikel usw.; kurz also: All das, was, was man im Katalog jedes Werbeartikelanbieters auch findet. Im OSG-Webshop können GdP-Mitglieder solche Artikel für ihren persönlichen Bedarf zu „besonders günstigen“ Konditionen erwerben.

Beteiligung an Tochterunternehmen

Der zweite, wesentlich wichtigere Geschäftszweig der OSG-GdP ist die Verwaltung von Beteiligungen an den GdP-Wirtschaftsunternehmen: Dazu gehören insbesondere der Anteil von rund 28% an der oben bereits genannten Polizeiversicherungs-Aktiengesellschaft, sowie jeweils 100- %ige Beteiligungen an der VDP Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH Anzeigenverwaltung und an der Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH Buchvertrieb.

Gewerkschaft der Polizei – Unternehmensbeteiligungen

Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH

Die beiden Gesellschaften unter dem Logo VDP (Verlag Deutsche Polizeiliteratur) sind die führenden polizeilichen Fachverlage in Deutschland: Es gibt wohl kaum eine Polizeidienststelle in Deutschland, in der nicht – meist in mehrfacher Ausfertigung – das vom VDP Buchvertrieb herausgegebene Polizei-Handbuch zu finden ist. Das ist eine Loseblatt-Sammlung mit den einschlägigen Rechtsvorschriften für die polizeiliche Arbeit, die ergänzt wurde um Ausgaben für jedes Bundesland, sowie später auch für die Bundespolizei, um den dort jeweils geltenden, unterschiedlichen Polizeigesetzen Rechnung zu tragen. zum Verlagsprogramm gehören ferner diverse Fachbücher für die polizeiliche Aus- und Fortbildung.
Die VDP Anzeigenverwaltung verlegt die GdP-Zeitschriften, darunter insbesondere die Mitgliederzeitschrift ‚Deutsche Polizei‘ und verkauft die entsprechenden Anzeigen. Sie bietet ferner Serviceleistungen im Polizeibereich an, z.B. wenn zur Mitfinanzierung eines Polizeifestes eine Festschrift in Auftrag gegeben werden soll.

Die beiden Gesellschaften werden in Personalunion von den Geschäftsführern der OSG-GdP geführt, das sind Joachim KRANZ und Bodo ANDRÄ. Gewinne der Gesellschaften werden aufgrund eines bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages an die Muttergesellschaft, also die OSG-GdP, abgeführt. In den veröffentlichten Jahresabschlüssen für 2015 [11a und 11b] ist nur für die Buchvertrieb GmbH ein Gewinnbetrag beziffert mit rund 220.000 Euro. Der Gewinn der Anzeigenverwaltung ist in deren Jahresabschluss für 2015 nicht betragsmäßig ausgewiesen.

Gesellschafter der Organisations- und Service-Gesellschaft der GdP mbH

Die Gesellschafterliste einer deutschen GmbH findet man im online abrufbaren Unternehmensregister. So auch die Gesellschafterliste der OSG GmbH. Die zeigt allerdings ein erstaunliches Bild:

Namentlich benannte Mitglieder des geschäftsführenden Bundesvorstands der GdP in der Gesellschafterliste der OSG per 21.11.2016

Ausgewiesen werden Geschäftsanteile im Wert von insgesamt nominell 3.400.000 DM [Deutsche Mark, sic!]. Davon halten namentlich benannte Mitglieder des geschäftsführenden Bundesvorstands der GdP Anteile im Wert von 9.000 DM.

Den Löwenanteil, nämlich 18 Geschäftsanteile im Wert von 3.390.000 DM bzw. über 99%, hält die OSG-Gesellschaft allerdings selbst [g]. Das ist zwar zulässig, aber ungewöhnlich. Unsere Redaktion hat daher bei der OSG-GdP nachgefragt. Und erfahren, dass es „steuerliche Gründe“ sind, warum einige wenige Anteile von Mitgliedern des geschäftsführenden Bundesvorstands gehalten werden. Welche „steuerlichen Gründe“ genau das sein sollen, konnte oder wollte die Geschäftsführung auch nach Rücksprache bisher nicht erklären.

Von der OSG-GdP selbst / „treuhänderisch“ gehaltene Gesellschaftsanteile an der OSG per 21.11.2016

Dass mehr als 99% der Gesellschaftsanteile in 18 Gesellschaftsanteilen von der OSG-GdP selbst gehalten werden, liege an den hohen „Notarkosten“ bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen von einem auf den anderen Gesellschafter. Diese Erklärung ist allerdings nicht plausibel: Denn seit Jahren stehen diese Gesellschaftsanteile „wie Blei“ als von der OSG gehaltene Anteile in den veröffentlichten Gesellschafterlisten. Da gab es offensichtlich keine Anteilsübertragungen, die „Notarkosten“ hätten verursachen können.

Dass der Löwenanteil des Gesellschaftskapitals der OSG-GdP gestückelt ist in genau 18 Gesellschaftsanteile, hat ja, möglicher Weise, einen ganz anderen Grund. Denn zur GdP gehören 18 Bezirke, nämlich 16 der Bundesländer, sowie je einer für die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt.

Offene Fragen

Könnte es also sein, dass die 18 Gesellschaftsanteile an der OSG-GdP, die die Gesellschaft „treuhänderisch“ selbst verwaltet, in Wirklichkeit wirtschaftlich den GDP-Bezirken zuzurechnen sind?! Ganz so, wie es bei der PVAG realisiert ist? Wollen die GdP-Bezirke gegenüber ihren Mitgliedern – oder müssen sie gegenüber den Steuerbehörden – verschweigen, dass sie Anteilseigner sind an einer wirtschaftlich tätigen Gesellschaft, die ertragreiche Kapitalanlagen hält an der PVAG und hundertprozentige Gesellschafterin ist an den Gesellschaften des Verlags Deutsche Polizeiliteratur?!

Was sagen die Mitglieder der GdP und was die vielen ehrenamtlichen Funktionäre und Personalratsmitglieder dazu?! Cosi fan tutte?! Alle machen es doch so?! Wenn das so ist – und wenn alles ganz legal und in Ordnung ist: Wozu dann die Geheimniskrämerei?!

Fußnoten

[a]   Mehrfachmitgliedschaften sind möglich, hier aber nicht berücksichtigt.

[b]   Auskunft des OSG-GdP-Geschäftsführers KRANZ gegenüber unserer Redaktion vom 09.03.2017.

[c]   Für eine grobe Schätzung wurde die Zahl der Mitglieder mit dem aktuellen Jahresbeitrag (aus [5]) für die niedrigste Beamten-Besoldungsstufe, also A7, multipliziert.

[d]   Übersicht ‚Versicherungsschutz‘ in https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/DE_Leistungsuebersicht

[e]   Deren Gesellschafter sind der Vorsitzende (Jörg Radek), der stellvertretende Vorsitzende (Karlfred Hofgesang) und der Kassierer des Bezirks Bundespolizei der GDP (Klaus Borghorst). Jörg Radek ist auch der Geschäftsführer der ProPolice GmbH, siehe Gesellschafterliste der Propolice GmbH zum Stichtag 26.05.2014

[f]   Die veröffentlichten, online einsehbaren Protokolle reichen nicht weiter zurück.

[g]   Die Gesellschaftsanteile mit der laufenden Nummer 5 und 28 wird ebenfalls von der OSG gehalten. Aufgrund des Betrages von 1.000 DM dürfte es sich um einen Kleinbetrag handeln, der ursprünglich von einer namentlich benannten Person gehalten wurde, die aus der Gewerkschaftsorganisation ausgeschieden ist. Er spielt für die oben darstellten Überlegungen weder der Höhe noch der Sache nach eine weitere Rolle.

Quellen

[1]   Beschäftigenzahlen in deutschen Polizeibehörden, 29.06.2016, Im Fokus, destatis.de

[2]   Die Mitgliederzahlen von DPolG und BDK haben wir aus Wikipedia (im Stand vom 10.03.2017) übernommen.

[3]   Satzuung der Gewerkschaft der Polizei, §2, Abs. 3
https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/res/E5CA8BF9747FB4DAC1257F5A00484D36/$file/141111GdPSatzung.pdf

[4]      Satzung der Gewerkschaft der Polizei, §1
https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/res/E5CA8BF9747FB4DAC1257F5A00484D36/$file/141111GdPSatzung.pdf

[5]   Beitragsübersicht für Beamte und Fördermitglieder, GdP-Homepage,
https://www.gdp.de/gdp/gdpnrw.nsf/id/DE_Mitgliedsbeitraege-Die-Grundlage-erfolgreicher-Arbeit/$file/Mitgliedsbeitraege_Beamte_und_Tarif_08_2016.pdf

[6]   Unsere Leistungen in der Übersicht, GdP-Homepage
https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/DE_Leistungsuebersicht

[7]   Jahresabschluss der PVAG per 31.12.2015 im unternehmensregister.de (kostenpflichtiger Download)

[8]   Angaben zu den Anteilseignern der PVAG stammen aus den veröffentlichten Protokollen der Hauptversammlung, zuletzt am 26.06.2016 im unternehmensregister.de (kostenpflichtiger Download)

[9]   Satzung der Polizeiversicherungs-Aktiengesellschaft im unternehmensregister.de (kostenpflichtiger Download)

[10]   Seite 54 des Geschäftsberichts für 2015 der Polizeiversicherungs-Aktiengesellschaft im unternehmensregister.de (kostenpflichtiger Download)

[11]   Veröffentlichte Jahresabschlüsse für 2015 der Verlang Deutsche Polizeiliteratur GmbH Anzeigenvertrieb [a] und … Buchvertrieb [b] im unternehmensregister.de (kostenpflichtiger Download)

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