No-Spy-Erlass des BMI bleibt vergaberechtswidrig

No-Spy-Erlass des BMI ist vergaberechtswidrig“ hatten wir vor drei Wochen berichtet. So hatte nämlich die Vergabekammer Bund, die oberste Instanz in Vergaberechtsstreitigkeiten mit Bundesbehörden, im Juni 2014 geurteilt.
Daran kann auch eine blumig-wortreiche Antwort des Staatssekretärs im Bundesinnenministerium auf eine Anfrage im Bundestag nichts ändern …

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Sechs Absätze der Antwort enthalten Auflistungen von rechtlichen Grundlagen des Vergaberechts, die mit der Frage allenfalls am Rande zu tun haben. Eine vom BMI generell gern geübte Praxis, wenn konkrete Antworten vermieden werden sollen.

Der letzte Absatz der Antwort scheint auf die Frage einzugehen. Die vom BMI beabsichtigte Klausel, die – in der Phase der Vertragsverhandlung, also nach Entscheidung für einen Bieter – in den Vertrag aufzunehmen ist, sei „eine so genannte Ausführungsbestimmung nach §97, Absatz 4, Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die im Rahmen der Auftragsausführung zwingend vom Auftragnehmer zu berücksichtigen ist.“ Dumm nur, dass die Phase der Auftragsausführung – und damit der angeführte Paragraph – vom Urteil der Vergabekammer ausdrücklich nicht umfasst ist. Das Urteil sagt vielmehr: „Die No-Spy-Erklärung wird in dem Erlass in den Kontext der Zuverlässigkeit [des Bewerbers / d. Verf.] gestellt. Die Zuverlässigkeit ist ein Aspekt der Eignung“ und verweist darauf, dass der Katalog der Eignungsanforderungen .. abschließend ist und nicht durch den Auftraggeber beliebig erweitert werden kann. „Eine von diesem Katalog nicht gedeckte Zuverlässigkeitsanforderung ist vergaberechtswidrig (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Januar 2014 – VII-Verg 28/13)“, heißt es weiter.

Nach wie vor und trotz der blumigen Ausführungen des BMI bleibt es also dabei: Das Vergaberecht sieht derzeit keine rechtskonforme Möglichkeit vor, bereits in der Phase der Eignungsprüfung vom Bieter eine ‚No-Spy-Erklärung‘ zu verlangen, weil ein solches Kriterium nicht im abschließend definierten Katalog der Zuverlässigkeitsanforderungen enthalten ist.

Somit können Bieter, die eine solche Erklärung nicht abgeben, auch nicht (rechtswirksam) als „unzuverlässig“ von der Auftragsvergabe ausgeschlossen werden. Es bleibt allenfalls die Möglichkeit, in der späteren Phase der Vertragsverhandlung vom vorgesehenen Auftragnehmer eine entsprechende Vertragsklausel zu verlangen. Was jedoch die Frage aufwirft, wie überprüft werden soll, dass der Auftragnehmer eventuell trotz seiner Unterschrift unter eine solche Klausel gegen eine entsprechende Nicht-Weitergabe-Verpflichtung (nach deutschem Vertragsrecht) verstößt und wie ein solcher Verstoß dann sanktioniert werden soll.

Fazit also: Auch wenn das BMI in seiner Antwort Beschwichtigung zu verbreiten sucht, ist das Problem nach wie vor nicht gelöst.

Was der Experte rät …

Wir haben daher einen Experten für IT-Vergabe- und Vertragsrecht gefragt, was denn geschehen müsste, um das Dilemma effektiv zu lösen. Er sieht es als zielführende Möglichkeit an, die Vergabeverordnung zu ändern, insbesondere, weil dies auch als „national deutscher Alleingang“ möglich wäre. Wir sind gespannt darauf, ob bzw. wann von einer entsprechenden Initiative aus dem BMI zu hören sein wird …

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Dieser Artikel ist Teil der Serie Beschaffung & Vergabe | No-Spy

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Quellen zu diesem Beitrag

[1]   No-Spy-Erlass des BMI ist vergaberechtswidrig, 15.09.2014, Police-IT
https://police-it.net/beschaffung-vergabe/no-spy-erlass-des-bmi-ist-vergaberechtswidrig-7363

[2]   Stenografischer Bericht der 53. Sitzung des Deutschen Bundestages,
DBT-Drs PlPrs 18/53, dort Seiten-Nummer 4877 und 4878