Policing as a Service

———— Dieser Artikel enthält Elemente von Galgenhumor … —————-
Vom Bundesministerum des Inneren, für Bau und Heimat (BMIfBuH) kam der zukunftsweisende Vorschlag einer Preisliste für Policing as a Service. Verpackt in die Besondere Gebührenverordnung BMI (BMIBGeV). Demnach kann Sie die Teilnahme an einer Demo, bei der die Bundespolizei im Einsatz ist, leicht mal 870 Euro kosten. Und auch wer nicht richtig auf den dementen Opa aufpasst, riskiert hohe Gebührenforderungen.
Die Verordnung macht auf uns allerdings noch einen nicht ganz ausgereiften Eindruck, sie wirkt wie ein Testballon: Denn für die Services von Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz oder dem BAMF gibt es bisher noch gar keine Preise. Und auch bei Art und Umfang der Gebührenerhebung ergeben sich beachtliche Optimierungspotenziale. Unsere Analyse stellt die wichtigsten vor … | Lesedauer: Ca. 8 Minuten

Die Besondere Gebührenverordnung BMI


Im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMIfBuH) ist man auf eine zukunftsweise Idee verfallen, das Geschäftsmodell der Bundesregierung auf diverse untergeordnete Behörden zu übertragen.
Dieses Geschäftsmodell – wir hatten es schon 2017 in einem eigenen Artikel [A] ausführlich erläutert – besteht darin, Behördenleistungen, die für individuell feststellbare Subjekte (Bürger, Unternehmen) erbracht werden, mit Preisen zu versehen und in Rechnung zu stellen. Die Rechtsgrundlage dafür findet sich in der ‚Besonderen Gebührenverordnung BMI‚ vom 02.09.2019.

Zu den derzeit vorgesehenen Behörden für die Anwendung dieser Verordnung gehören insbesondere

  • die Bundespolizei,
  • das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI),
  • die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheit (BDBOS),
  • sowie Verwaltungshandlungen im Zusammenhang mit der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), dem DE-Mail-Gesetz, der Erteilung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen für Spiele und mit dem Waffengesetz.

Bisher (noch) nicht umfasst sind, allein im Bereich der Sicherheitsbehörden, das Bundeskriminalamt (BKA), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) , sowie die zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS), obwohl auch dort erhebliches Bepreisungspotenzial für individuell zurechenbare Leistungen unverkennbar ist. Das gilt sinngemäß auch für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), und insbesondere das Bundesverwaltungsamt (BVA), mit seinem Portfolio an Services für den Bürger quasi von der Wiege, über Ausbildung und Studium bis zur Bahre.

Das Konzept der ‚Besonderen Gebührenverordnung BMI‘

Beeindruckend ist schon das Volumen dieser Verordnung: Knappe zwei Seiten Text und drei inhaltlich relevante Paragraphen. Daraus ergibt sich, dass

  • für individuell zurechenbare
  • öffentliche Leistungen
  • Gebühren und Auslagen erhoben werden.

Auf diese zwei Seiten folgen den zehn Seiten Preisliste.

Was sind individuell zurechenbare öffentliche Leistungen?
Was ‚individuell zurechenbare Leistungen‘ sind, ist schon im Bundesgebührengesetz definiert.

  • Die kann der/die Betroffene „beantragt oder willentlich in Anspruch genommen“ haben
  • oder die Leistung kann „zugunsten des von der Leistung Betroffenen erbracht worden sein“,
  • sie wurde „durch den/die Betroffene [aus Sicht der abrechnenden Behörde] veranlasst
  • oder es ist „ein Anknüpfungspunkt im Pflichtenkreis des/der von der Leistung Betroffenen rechtlich begründet“

Auch die ‚öffentlichen Leistungen‘ sind im Bundesgebührengesetz schon erläutert. Es handelt sich um

  • Handlungen, die „in Ausübung hoheitlicher Befugnisse“ erbracht wurden,
  • die „die Inanspruchnahme von … Einrichtungen und Anlagen ermöglichen“,
  • oder um „Überwachungsmaßnahmen, Prüfungen und Untersuchungen“
  • sowie „sonstige Handlungen, die im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit erbracht“ werden.

Dem Verwaltungsfachmann, besonders dem für Haushaltsfragen zuständigen, muss das Herz aufgehen, bei so vorausschauenden und umfassenden Definitionen.

Typische Kostenszenarien

Wir wollen uns im Folgenden beschränken auf die zu erwartende Bepreisung von Policing-Services, also hoheitlichen Leistungen, die – hier im Beispiel – die Bundespolizei nun insbesondere abrechnen kann

  • bei der Abwehr von Gefahren,
  • der unmittelbaren Ausführung von Maßnahmen,
  • der Erhebung von Telekommunikationsdaten,
  • der Identitätsfeststellung und erkennungsdienstlichen Maßnahmen,
  • der Platzverweisung bzw. der Gewahrsamnahme.

Wenn Sie’s ganz genau wissen wollen: In Abschnitt 1 der Anlage zur BMIBGebV finden Sie die vollständige Preisliste.

Als möglicher Betroffener solcher Policing-Services finden Sie nachstehend einige Kalkulationsbeispiele für die zu erwartenden Kosten. Die sollten Sie in Ihre mittelfristige Finanzplanung einstellen, bevor Sie das Risiko eingehen zum Leistungsempfänger solcher Services zu werden. Denn Sie wissen ja schon vom Finanzamt: Wenn der Staat Geld haben will, gibt’s keinen Zahlungsaufschub!

Als Leistungsempfänger von Policing-Services

Die Palette der Dienstleistungen in diesem Abschnitt der Preisliste ist besonders eindrucksvoll. Allein die Liste für die Policing-Services durch die Bundespolizei umfasst zwei volle Seiten:
Nehmen wir also an, Sie sind Teilnehmer an einer (selbstverständlich genehmigten!) Demonstration, bei der auch die Bundespolizei zum Einsatz kommt. Zweifelsohne haben Sie (aus Sicht der Einsatzführung) damit vorsätzlich bzw. fahrlässig eine Gefahrenlage geschaffen bzw. vorsätzlich oder fahrlässig den Anschein einer Gefahrenanlage erweckt, der den Einsatz veranlasst hat (siehe 1.1.1 bzw. 1.1.2 der entsprechenden Preisliste).

Die Gebührenrechnung, die daraus erwachsen kann, sieht etwa so aus:

Tatbestand Grundpreis in Euro Abrechnungsfaktor Gebühr für diesen Tatbestand
Zweimaliges Weggetragenwerden durch 4 beteiligte PVB / 28 Minuten 15,69 pro PVB/Viertelstunde 4 mal 2 125,52 €
Erstmalige Platzverweisung 88,85 € 1 88,85 €
Wiederholte Platzverweisung 52,00 € 1 52,00 €
Anordnung und Vorbereitung des Vollzugs einer erkennungsdienst­lichen Maßnahme, Verbringung durch 2 PVB in die dafür vorgesehene Dienststelle, 85 Minuten 15,69 pro PVB/Viertelstunde 2 mal 6 188,28 €
ED-Maßnahme – Pauschalgebühr 59,50 € 1 59,50 €
Anordnung des Gewahrsams 74,15 € 1 74,15 €
Vollzug des Gewahrsams 6,51 € pro angef. Viertelstunde 10 h 23 Minuten 273,42
Kosten für den Transport zur Sammelstelle 15,69€ pro PBV/Viertelstunde 6 mal 3 282,42 €
Anteilige Nutzung des Wasserwerfers wird nachberechnet
Kosten für die Verpflegung im Gewahrsam entfällt
Gesamt 870,72 €

Rettungs-Services durch die Bundespolizei

Auch Rettungseinsätze sollte nur noch die Person provozieren, die sich die dafür fälligen Gebühren auch leisten kann. Für zwei Stunden Suche mit zehn Polizeibeamten sollte man für potenzielle Hinterbliebene schon mal drei Fünfhunderter auf den Nachttisch legen. Das dürfte reichen für die 1.255,20 Euro Personalkosten, die Reinigung der Uniformen nach dem Einsatz und ähnliches.

Wer sich mit Suizidgedanken trägt und daher abgängig wird, sollte erwägen, sich kurz bevor der Suizid zum Erfolg führt, doch noch retten lassen. Denn bei „Verhinderung eines Suizids“ werden keine Gebühren fällig (Ziffer 1.1.5 der Preisliste)

Aufgemerkt! heißt es nun auch für die Betreuer des dementen Opas: Familien mit engem Budget sollten sich zweimal überlegen, eine Rettung mit Beteiligung der Bundespolizei zu initiieren, zumal, wenn nicht sicher ist, wann der Erbfall zur Bezahlung der danach fälligen Gebührenrechnung tatsächlich eintreten wird. Besser also, dem Opa den Familienhund zum Spaziergang mitgeben, der sich selbst und den Opa bisher immer wieder zuverlässig heimgebracht hat. Oder, wenn der Hund anderweitig beschäftigt ist, den Opa möglichst unauffällig mit dessen Tracking-Halsband ausstaffieren.

Kritik des Vorstoßes aus dem BMIfbufH

Aus der Sicht des Geschäftsmodells der Bundesregierung, dessen Ziel ja die optimale Bewirtschaftung des individuellen Leistungsverursachers ist, hat das BMIfBuH damit eine in den Grundzügen durchaus schon überzeugende Vorlage geliefert.

Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz?!

Einwände über eine mögliche Unverträglichkeit mit dem Grundgesetz sind, wie nicht selten bei Vorlagen des BMIfBuH, zu erwarten. In einem entfernt vergleichbaren Fall – es ging um die Übernahme von Polizeiservice-Kosten durch Fußballvereine bei Hochrisiko-Spielen – hatte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) so argumentiert:

„Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist eine staatliche Kernaufgabe. Grundsätzlich gilt daher das Steuerstaatsprinzip, wonach die Erfüllung öffentlicher Aufgaben aus Steuermitteln zu erfolgen hat. Hieraus folgt, dass der Staat die für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit entstehenden Kosten zu tragen hat. … Verfassungsrechtlich ist die gebührenrechtliche Heranziehung eines Einzelnen auch nur dann zulässig, wenn er durch eine individuell zurechenbare, besondere öffentliche Leistung einen spezifischen Vorteil gegenüber der Allgemeinheit erhält“.

Diese Argumentation unterstreicht auch das im Fall der Fußballspiele angerufene Bundesverwaltungsgericht: „Bei der Einführung einer Gebühr muss der Gesetzgeber stets berücksichtigen, dass der Gebührenpflichtige zugleich auch Steuerzahler ist. Eine Gebühr bedarf deshalb einer besonderen Rechtfertigung.“

Es wird also für das BMIfBuH in einem etwaigen Klageverfahren auf den überzeugenden Nachweis ankommen, dass Policing-Services bei Polizeieinsätzen für den Betroffenen tatsächlich diesen „spezifischen Vorteil gegenüber der Allgemeinheit“ darstellen und worin der besteht …

Optimierungspotenzial für die Besondere Gebührenverordnung des BMI (BMIBGebV)

Neben diesen rechtlichen Fragen sehen wir in der aktuellen Fassung der BMIBGebV allerdings noch erhebliches Optimierungspotenzial im Interesse der die Services erbringenden Behörden:

Detailgetreue Zeiterfassung

Der Gebührensatz von 15,69 Euro pro angefangener Viertelstunde für „den Polizeivollzugsbeamten“ (=PVB) – den es so ja nicht gibt! – erscheint aus mehreren Gründen zu wenig detailliert: Berücksichtigt werden sollten der Dienstgrad und die Jahresvergütung der eingesetzten Polizeivollzugbeamten. Einsätze, die zu Überstunden beim betroffenen PVB führen müssen auch entsprechende Zeitaufschläge bei der Gebührenberechnung zur Folge haben. Auch Zeit und Umstände der Einsätze müssen in die anzusetzenden Gebühren und Auslagen einfließen. Zu berücksichtigen sind also die Wetterbedingungen und Temperaturen, Tages- und Nachtzeiten, Entfernungen des Einsatzortes vom Lebensmittelpunkt des PVB und familiäre Besonderheiten.

Zur möglichst detailgetreuen Erhebung sollte ein neues, IT-gestütztes Zeiterfassungsystem für Policing-Services zeitnah entwickelt, beschafft und in den dauerhaften Testbetrieb genommen werden. Iterationen dieses agilen Entwicklungsvorhabens in kurzen Zeitabständen sollten vorgesehen werden, um eine permanente Diskussion potenzieller Verbesserungen unter den Abgesandten aller Beteiligter sicher zu stellen. Das Vorhaben sollte begleitet werden durch den Aufbau einer mit ausreichenden Personalressourcen (PolizeiBESCHÄFTIGTE sind ausreichend) ausgestatteten internen Serviceeinheit, die die in den ersten Jahren der Entwicklung nicht zu vermeidenden Zeiterfassungs-Handzettel der Polizei-Service-Kräfte in Excel-Listen überträgt und der Gebührenabrechnungsstelle zuführt.

Bisher nicht ausgeschöpftes Gebührenerhebungspotenzial im Bereich der Informationstechnik

Das größte Potenzial für weitere Gebühren für sicherheitsbehördliche Services liegt unserer Ansicht nach im Bereich der Informations- und Überwachungstechnik dieser Behörden:

So ist – in Anlehnung an entsprechende Geschäftsmodelle im kommerziellen Bereich – beispielsweise eine Gebühr für die Belegung von Speicherplatz durch dem Individuum zurechenbare Informationen ins Auge zu fassen. Diese Gebühr wäre mit einem Aufschlag für den Fall zu versehen, dass die Individual-Informationen auch von Analysen und Auswertungen durch die gerade in Einführung befindlichen Big-Data-Auswertungssysteme (wie Hessendata oder DAR/Titan) erfasst werden: Einerseits, weil diese Systeme und ihr Betrieb extrem teuer sind und daher eine Assistenzfinanzierung wünschenswert ist. Und zweitens, weil solche Individual-Informationen ja zwingend den Schluss zulassen, dass das betroffene Individuum fahrlässig oder vorsätzlich Anhaltspunkte für entsprechende Verbindungen mit Netzwerken von Subjekten des polizeilichen Interesses geliefert hat.

… und im Bereich der Telekommunikationsüberwachung

Erhebliches Gebührenerhebungspotenzial liegt ferner auf dem Gebiet der Telekommunikationsüberwachung:

  • So hat allein die Bundespolizei im vergangenen Jahr rund 48.000 stille SMS verschickt. Sagte die BUndesregierung auf Anfragen des Abgeordneten Hunko von der Linksfraktion. Die geforderte individuelle Zurechenbarkeit dieser Serviceleistung ist nicht von der Hand zu weisen: Wer den Anlass geliefert hat, dass er/sie von der Bundespolizei geortet werden muss, hat sich ausreichend qualifiziert für eine individuelle Zurechenbarkeit! Auch wenn er/sie, wie noch auszuführen sein wird, aus taktischen Gründen nicht zeitnah eine Rechnung erhalten sollte.
  • Ähnliches Potenzial bieten die Funkzellenabfragen, von denen die Bundespolizei im vergangenen Jahr 167 durchgeführt hat. Da eine Abrechnung gegenüber dem einzelnen Mobilfunk-Nummerninhaber sowohl ein Mengen- als auch ein Nachweisproblem darstellen dürfte, wäre hier über eine Abrechnung gegenüber dem Verursacher der Funkzellenabfrage zu erwägen, also z.B. gegenüber dem Bankinstitut, dessen Geldautomat im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Funkzellenabfrage gesprengt worden war.

Zum Konflikt zwischen Abrechnungswunsch und taktischen Geheimhaltungsinteressen von Sicherheitsbehörden

Zwangsläufig liegt bei einer Einführung der letztgenannten Gebührenerhebungsoptionen ein quasi natürlicher Konflikt vor zwischen der Forderung der individuellen Zurechenbarkeit UND Abrechenbarkeit entsprechender Kosten und den taktischen Interessen der Sicherheitsbehörde: Würden doch polizeilich beobachtete Subjekte durch unüberlegt ausgefertigte und vorschnell verschickte Gebührenbescheide über entsprechende Überwachungsmaßnahmen und deren Analyse und Auswertung in unerwünschtem Maße auf das Interesse der Behörde aufmerksam gemacht.

Denkbar wäre in diesem Fall jedoch eine Gebühren-Vorratsdatenspeicherung. Das jeweilige Informations- und Auswertesystem der Behörde wäre zu diesem Zweck so zu erweitern, dass auflaufende TK-Überwachungskosten für alle TK-Anschlüsse, die einem Individuum zugerechnet werden, zunächst auf Vorrat gespeichert werden. Sollte es später zur Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Betroffenen kommen, wären die entsprechenden Gebühren als Aufwand im Vorfeld der Ermittlungen zu subsummieren und – selbstredend ohne Detailnachweise – in Rechnung zu stellen.

Angemessene Aufschläge bei der Abrechnung gegenüber dem Einzelnen sind angeraten, da ja längst nicht jedes Individuum, das Gegenstand einer solchen Überwachungsmaßnahme geworden ist, später auch tatsächlich einem Ermittlungsverfahren zugeführt werden kann und sämtliche aufgelaufenen Kosten dieser Art somit im Zuge eines Solidarverteilungsverfahrens den tatsächlich beschwerbaren Individuen angerechnet werden müssen.

Zielvorgaben als Motivationsanreize für die Polizeivollzugsbeamten

Zu Unrecht gänzlich unbedacht scheint uns bisher jedoch eine andere Maßnahme zur Gebührensteigerung, die in der polizeilichen Praxis, z.B. im Streifendienst, auf gute Erfolgsquoten verweisen kann. Die Rede ist von Zielvorgaben für die Verhängung entsprechender Maßnahmen für die eingesetzten Polizeivollzugsbeamten. Was im Streifendienst geeignet ist, um die Zahl der gefertigten Strafanzeigen nach oben zu bringen, sollte sich leicht auf Polizeieinsätze, z.B. bei Demonstrationen, übertragen lassen. An potenziell Betroffenen herrscht ohnehin kein Mangel, da jeder Teilnehmer sich Vorsatz oder zumindest Fahrlässigkeit für seine Anwesenheit zu dieser Zeit an diesem Ort zurechnen lassen muss.

Sollte es im Bereich der einzelnen Dienststelle allerdings an DEMONSTRATIONEN mangeln, so käme im Grenzbereich bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern (bzw. seeseitig bis zu 50 km) auch die Schleierfahndung in Frage. Und damit verbunden eine Identitätsfeststellung, die allein schon mit einer Gebühr von 53,75 Euro behaftet ist.

Zusammenfassende Bewertung

Zur langfristigen Wirkung solch einschlägiger Gesetze / Verordnungen des Bundesinnenministeriums

Da Bundesministerium des Innern hat im Bereich der Gesetzgebung für die Innere Sicherheit langjährig beste Erfahrungen mit dem folgenden Modus Operandi gemacht: Man lege ein Gesetz vor, welches in den dadurch für Sicherheitsbehörden eingeräumten Befugnissen weit über das bisher Zulässige, wie auch über das verfassungsrechtlich möglich Erscheinende hinausgeht. Eine Verordnung steht einem Gesetz insofern nicht nach, hat allerdings den Vorteil, dass sie ohne Beteiligung des Bundestages erlassen und im Wesentlichen nur dem aufmerksamen und regelmäßigen Leser des Bundesgesetzblattes auffällt.

Irgendwann fällt irgendjemandem auf, dass eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit angezeigt ist. Bis dahin wirkt das Gesetz bzw. die Verordnung, wie sie soll. Dabei bleibt es auch in der Zeit, in der Andersmeinende eine Verfassungsklage vorbereiten. Dann einreichen. Dann auf eine erste Bewertung – hoffentlich nicht Ablehnung – durch das Verfassungsgericht warten. Noch immer wirkt das Gesetz / die Verordnung, wie gewünscht. Irgendwann liegt nach langer Zeit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf dem Tisch. Die verlangt in aller Regel nur konkrete Änderungen im Einzelfall. Bis die erarbeitet und die Gesetzesnovelle verabschiedet bzw. Neufassung der Verordnung erlassen ist, vergeht Zeit. In der gilt das bisherige Gesetz. Nach der Novelle wird u.U. erneut Klage erhoben. Und der Kreislauf beginnt von neuem …

Zur Auswirkung auf die Polizeibehörden der Länder

Anders als der Bund mit seinem üppig gefüllten Steuersäckel sieht die Haushaltslage in den Ländern weit weniger rosig aus. Die Schuldenbremse tut ein Übriges [B]. Vielen Landes-Polizeibehörden wäre daher geholfen, wenn sie für ihre Policing-Services auch entsprechende Rechnungen stellen und Gebühren eintreiben könnten.

Warten wir also ab, wann und in welcher Form sich die ersten Überlegungen dieser Art öffentlich artikulieren …

Fußnote

Dieser Artikel enthält Spuren von Sarkasmus.

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[A]   Das Geschäftsmodell der Bundesregierung-AG, 22.09.2017, CIVES
https://cives.de/das-geschaeftsmodell-der-bundesregierung-ag-6334

[B]   Staatsstreich auf leisen Sohlen – Teil 2: Auswirkungen der Schuldenbremse auf die Sicherheitsarchitektur in Deutschland
https://cives.de/schuldenbremse-sicherheitsarchitektur-staatsstreit-teil2-4220

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