„Russische Hackerangriffe“ fördern die Finanzausstattung der Sicherheitsbehörden

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(C) Der Beauftrage der Bundesregierung für Informationstechnik
Zwar fehlt es den Medienbeiträgen um den „Hackerangriff auf die deutsche Regierung“ weitgehend an belastbaren Informationen. Doch erfüllen sie einen taktischen Zweck durchaus: Für die in Kürze anstehenden Beratungen zum neuen Bundeshaushalt, der wieder erhebliche Ausgabensteigerungen für die Sicherheitsbehörden des Bundes vorsieht, schaffen solche Artikel das geeignete Klima der Bedrohung: Bei Politikern und in der Öffentlichkeit. Und wer könnte dann schon Nein sagen dazu, dass „unsere Sicherheit“ wieder ein paar Millionen mehr kostet?!

Seit Mittwochabend überschlagen sich die Leitmedien wieder einmal mit Artikeln, denen vor allem an Einem fehlt: Irgendwelchen belastbaren Informationen. Doch Welt und Zeit und Süddeutsche und Spiegel und Tagesschau und viele andere verbreiten eifrig, dass „russische Hacker“ einen „Angriff“ auf „die deutsche Regierung“ geführt haben.
Das wissen die Medien aus den deutschen Sicherheitsbehörden. Die wurden am 19. Dezember aufgeweckt „durch einen Hinweis von einem ausländischen Partnerdienst“. Schon am 15. Januar wurde dann das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) fündig in der Hochschule des Bundes. Von dort aus hätte sich „der Angreifer Zugang zum Regierungsnetzwerk verschaffen können und war .. weiter vorgedrungen bis ins Auswärtige Amt“ [1]. Wie lange vor diesem freundlichen Hinweis ausländischer Partner der „Angriff“ schon dauerte, weiß man nicht.

Doch unsere Sicherheitsbehörden sind clever. Nach der Entdeckung in der Hochschule ließen sie die Angriffe weiterlaufen, waren allerdings jederzeit „bereit den Stecker zu ziehen“. Denn durch die Beobachtung wollten sie mehr über die Hacker herausfinden. Jetzt sind Regierung und Sicherheitsbehörden sauer darüber, dass die Nachricht ihren Weg in die Medien fand. Weil die Angreifer damit gewarnt seien. Während zumindest einige Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) Groll darüber hegen, dass die Sicherheitsbehörden (wieder einmal) tun, was sie für richtig halten und das für die Aufsicht der Nachrichtendienste zuständige Gremium des Bundestages vorschriftswidrig NICHT informiert haben [2].

Alle Jahre wieder: Was Angriffe auf die Sicherheit des Landes mit dem Bundeshaushalt zu tun haben

Entdeckungen über solche „Angriffe“ finden gerne dann ihren Weg in die Medien, wenn die Verabschiedung des Bundeshaushalts bald bevorsteht. So wie jetzt. Denn am kommenden Sonntag steht fest, ob die SPD mit den C-Parteien ihre GroKo fortsetzt. Oder dass es eine Minderheitsregierung gibt. In beiden Fällen wird es Anfang März allmählich Zeit, einen Bundeshaushalt für das laufende Jahr im Bundestag zu beraten und zu verabschieden. Der Bundes-Sicherheitsapparat, also BSI und BND, BfV, ZITIS und BKA mit Bundespolizei erwartet sich aus dem kommenden Bundeshaushalt Finanzmittel in Höhe von zusammen einigen Milliarden Euro. Allein der Haushalt des Bundesamt für Verfassungsschutz (, das ja für die Spionageabwehr zuständig ist,) soll gegenüber 2017 um 10% steigen auf fast 386 Millionen.

Gerade die geheim agierenden Bundessicherheitsbehörden haben in den letzten Jahren enorm viel Geld akquiriert. Immer mit dem Verweis auf (nie genau definierte oder belegte) Gefährdungslagen. Auch beim Europäischen Polizeikongress, der vor drei Wochen in Berlin stattfand, haben die Präsidenten von BKA und BfV ihre Forderungen nach MEHR – Befugnisse, Technik, Ressourcen, Personal – vor allem mit der terroristischen Gefährdung, insbesondere durch den IS, begründet.

Am 1. März hat der Bundestag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen, der sich mit dem Anschlag am Breitscheidplatz in Berlin beschäftigen soll. „Der Untersuchungsausschuss soll sich unter anderem ein Urteil darüber bilden, ob die Sicherheits-, Strafverfolgungs- und Strafvollzugsbehörden und die Nachrichtendienste des Bundes und der Länder sowie die für den Vollzug des Asyl- und Aufenthaltsrechts zuständigen Behörden sachgerecht gehandelt haben …“ heißt es dazu auf der Seite des Bundestages [3]. Dieser Ausschuss wird Kritisches, auch über die Arbeit der Bundessicherheitsbehörden ans Licht bringen. Wieder einmal, denn auch die Ergebnisse des NSU-Untersuchungsausschusses sind, z.B. für das Bundesamt für Verfassungsschutz, nicht schmeichelhaft.

Der neue Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Peter Boehringer, ist Abgeordneter der AfD. Insgesamt ist der Bundestag bunter geworden, die Mehrheit der früheren Großen Koalition stark zusammengeschmolzen. All das lässt erwarten, dass sich die Verantwortlichen für die Politik der Inneren Sicherheit Fragen dazu gefallen lassen müssen, ob und inwiefern eigentlich die erhebliche finanzielle Aufrüstung der Sicherheitsbehörden des Bundes in den vergangenen Jahre zu einem Mehr an Erfolg, Erkenntnissen oder erfolgreicher Gefahrenabwehr geführt hat. Schlüssige, nachvollziehbare Antworten auf solche Fragen wurden bisher nicht geliefert. Umso mehr müssen sie jetzt dafür sorgen, dass sie auch weiterhin das Geld bekommen, von dem sie den Ausbau ihres Überwachungsapparates in der Zukunft finanzieren können. Ein „Hackerangriff auf die Bundesregierung“ [1], „Moskau als Urheber des Cyberangriffs auf die Regierung“ [4], der Angriff auf das Netz des Bundes durch eine russische Hacker-Gruppe [5] und ein Angriff der „noch andauert“ schaffen dafür das geeignete geistige und mediale Klima.

Netze des Bundes – vom Bundesrechnungshof seit Jahren heftig kritisiert

Das angegriffene Netz – es heißt Informationsverbund Berlin-Bonn (IVBB) ist Teil der ‚Netze des Bundes‘ (NdB). „Ziel von NdB ist es, eine Infrastruktur mit erhöhtem Sicherheitsniveau bereit zu stellen“ schreibt der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik [6]. Das Projektmanagement für Netze des Bundes liegt beim Bundesministerium des Innern. Und wurde erst in den jüngsten Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2017 zum wiederholten Male ungewöhnlich scharf kritisiert.

  1. Die früheren Empfehlungen des Bundesrechnungshofs aus den Jahren 2013 und 2016 zum Projekt NdB hatte das BMI überhaupt nicht umgesetzt.
  2. Dienstleistungsverträge statt Werkverträge: 109 von 110 Beraterverträgen in den beiden Projekten sind Dienstleistungs- und nicht Werkverträge. Das bedeutet, dass lediglich die Arbeitszeit geschuldet ist, nicht jedoch ein bestimmter Arbeitserfolg. Das ist völlig kontraproduktiv: Welcher Berater würde sich bemühen, „fertig“ zu werden, wenn damit verbunden ist, dass sein Vertrag beendet wird?!
  3. Kein Qualitätsmanagement vorhanden; keine Kriterien für die Bewertung der Arbeitsergebnisse
  4. Ob die erbrachten Leistungen nach Umfang und Qualität angemessen waren, konnte das BMI überhaupt nicht belegen

Mehr dazu in unserem Artikel vom 1. Februar: ‚Quellen [1]   Hackerangriff auf Bundesregierung: Von der Uni ins Ministerium?, 01.03.2018, Tagesschauhttps://www.tagesschau.de/inland/hackerangriff-bundesregierung-101.html

[2]   Regierung ließ russische Hacker monatelang gewähren, 01.03.2018, Süddeutsche Zeitung Online
http://www.sueddeutsche.de/digital/cyber-angriff-regierung-liess-russische-hacker-monatelang-gewaehren-1.3887841

[3]   Untersuchungsaus­schuss zum Breit­scheid­platz-Anschlag kommt, 01.03.2018, Deutscher Bundestag
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw09-de-ua-anschlag-breitscheidplatz/544488

[4]   Hackerangriff auf Regierung: Eindringlinge, die sich durchs System fressen, 01.03.2018, Welt Online
https://www.welt.de/politik/deutschland/article174105594/Hackerangriff-auf-Bundesregierung-Absolute-Sicherheit-ist-unmoeglich.html

[5]   Russische Hacker-Gruppe „Snake“ soll für Angriff verantwortlich sein, 01.03.2018, Zeit Online
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-03/cyber-attacke-hackerangriff-parlamentarisches-kontrollgremium-armin-schuster-reaktionen

[6]   Das Projekt „Netze des Bundes“ (NdB), Der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik,
https://www.cio.bund.de/Web/DE/Innovative-Vorhaben/Netze-des-Bundes/netze_des_bundes_node.html

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