Seehofer’s Homeland und die Security

(C) Bundeministerium des Innern, für Bau und HeimatDer neue Bundesinnenminister und Parteichef der CSU, Horst Seehofer, kündigt eine „Null-Toleranz-Politik an“ und hartes Durchgreifen. In Bayern hat seine Partei gerade eine Neufassung des Polizeigesetzes auf den Weg gebracht: Es stattet die Polizei mit Befugnissen aus, wie es dies seit 1945 nicht gegeben hat. Gut möglich, dass dies Teil des „Masterplans“ ist, den Seehofer angekündigt hat: Wird das bayerische Polizeiaufgabengesetz zur Vorlage des Bundes für ein Musterpolizeigesetz, wie es die Innenminister der Länder im Sommer letzten Jahres beschlossen haben?!

Heimat = Heimat-Schutz = Homeland Security?!

Wir werden uns an eine neue Abkürzung gewöhnen müssen: BMIfBH würde sich anbieten für das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Ganz ratlos fragte die Tagesschau [1], „was der Begriff ‚Heimat‘ im Zusammenhang mit ministeriellen Aufgaben bedeutet“. Und erfuhr von einem Politikwissenschaftler, dass Heimat im Zusammenhang zu sehen sei mit „einem Staat, der aufpasst“ [a]. Leider wurde nicht ausgeführt, auf wen oder was dieser Staat eigentlich aufpasst. Obwohl mir das hier die entscheidende Frage zu sein scheint.

Es soll Seehofer gewesen sein, der – ganz nach bayerischem Vorbild, die Heimat in einem Ministerium verankert sehen wollte. Was er damit bezweckte, liegt auf der Hand: Polyglott wie er ist, hat Seehofer einfach aus dem Amerikanischen übertragen, was ihm bei seinem Besuchen in USA imponiert hat: So ein Homeland Security Office – ein Heimatschutzministerium könnten wir in Berlin auch brauchen.

Inzwischen werden weitere Äußerungen des neuen Amtsinhabers zitiert. Der hatte der Bild am Sonntag – auch schon vom Amtsvorgänger gerne genutzt als Kanal für innenministerielle Verlautbarungen – verraten, dass er „den Zusammenhalt in Deutschland bedroht“ sehe. Daher „wolle er mit einem Wertebündnis nach dem Vorbild Bayerns entgegensteuern“.

Man kann das als Ankündigung betrachten oder als Androhung. Dass es in Bayern gelungen ist, ein „Wertebündnis“ zu schmieden, das angeblich vorbildhaft ist, muss mir – langjährig in Bayern ansässig – bisher entgangen sein. Tatsache ist vielmehr, dass die AfD in Bayern bei der Bundestagswahl Spitzenergebnisse in den westlichen Bundesländern erzielt hat: Sie hat andesweit 12,4% eingefahren, wurde in jedem dritten Wahlkreis zweitstärkste Partei, noch vor der SPD. Und jagt der CSU das grosse Zittern vor der Landtagswahl im Herbst 2018 ein. In Bayern gibt es gerade KEIN Wertebündnis, sondern vielmehr den Kampf zwischen Rechts und Noch-Weiter-Rechts darum, wer rhetorisch am besten punktet mit den Forderungen nach dem starken Staat.

Das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz – Vorbild für das geplante Musterpolizeigesetz für alle Bundesländer?

Als er vom „Vorbild Bayerns“ sprach, dachte der gerade noch gewesene bayerische Ministerpräsident und neue Bundesinnen-, Bau- und Heimatminister vermutlich an das neue Bayerische Polizeiaufgabengesetz (BayPAG). Das hat vor wenigen Wochen in erster Lesung den Bayerischen Landtag durchlaufen.

Das neue Bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG)

Die Landtagsabgeordnete Claudia Stamm fasst dessen Inhalte so zusammen [2]:

Die Polizei kann:

  • Aufenthaltsgebote und Aufenthaltsverbote aussprechen, das heißt die Bürger zwingen, ihren Wohnort nicht zu verlassen oder, ihren Wohnort zu wechseln und ohne Rücksicht auf Familie und Arbeit an einen vorgegebenen Ort zu ziehen. Hier ist nicht einmal ein Richtervorbehalt gegeben. Der Betroffene muss erst klagen.
  • sogenannte Gefährder zunächst auf drei Monate, mit weiterer richterlicher Genehmigung unbegrenzt in Vorbeugegewahrsam nehmen. Der Betroffene wird zwar vom Richter angehört, es gibt aber keinen Pflichtverteidiger. Er muss ggf. aus der Haft heraus „beweis““, dass er keine Gefahr (mehr) ist. Grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie rechtliches Gehör, das Recht auf einen Rechtsbeistand, Akteneinsicht, wie sie in der Bayerischen Verfassung, dem Grundgesetz und der EU-Grundrechtecharta garantiert sind, bleiben ungeregelt.
  • auf öffentlichen Versammlungen unbegrenzt „Übersichtsaufnahmen“ des Versammlungsgeschehens anfertigen, ebenso darf offen gefilmt und das gesprochene Wort mitgeschnitten werden, ein computergestützter Abgleich mit vorliegendem Bildmaterial ist möglich.
  • Die Polizei darf die Post beschlagnahmen und öffnen.
  • Sie darf verdeckte Ermittler unter falschem Namen und mit einer Legende auch in Wohnungen einsetzen, ebenso im Internet, ob als Partner bei Whatsapp oder einem anderen sozialen Medium. Ein Richter wird nur eingeschaltet, wenn sich der Einsatz gegen eine bestimmte Person richtet.
  • Sie darf private Personen als Spitzel (V-Mann) einsetzen. Der Richter muss nur zustimmen, wenn sich der Einsatz gegen bestimmte Personen richtet oder in Wohnungen stattfindet. Zwar darf der Spitzel keine Straftat provozieren, aber – wie mir Juristen sagen – sind im Bereich der Drogenkriminalität in großer Zahl entsprechende Fälle durch die Rechtsprechung dokumentiert ist. Dieser Vorbehalt ist also das Papier nicht wert, auf dem er steht.
  • Sie kann in der Wohnung lauschen und verdeckt filmen. Auch Gespräche mit Familienangehörigen und Anwälten sind nicht wirklich geschützt, trotz der Zeugnisverweigerungsrechte. Um abzuhören und heimlich zu filmen darf die Polizei auch in Wohnungen einbrechen.
  • Sie darf Telefone abhören und in Informationssysteme eindringen, darf Kommunikationsverbindungen unterbrechen oder den User abschalten. Sie darf auf Speichermedien zugreifen und dazu in Wohnungen einbrechen, auch Daten löschen oder verändern. Diese Zugriffsmöglichkeit wird dazu führen, dass auch im Netz nicht mehr zwischen fake und Wahrheit, Kunstprodukt der Polizei und Originaläußerung einer Person unterschieden werden kann. Die Zuverlässigkeit der Protokollierung der Vorgänge ist im Nachhinein nicht mehr überprüfbar.
  • Google, Apple und Co. können verpflichtet werden, ihre Daten zum Zweck der Rasterfahndung zur Verfügung zu stellen, riesige Datenmengen aus dem höchst privaten Bereich gelangen damit in die unmittelbare Verfügungsmacht der Polizei.
  • Die Polizei kann Drohnen einsetzen, die offen oder verdeckt filmen und lauschen, auch in Wohnungen auf Telekommunikation und IT-Systeme zugreifen.

Claudia Stamm kommentiert dieses Gesetz so: „Eigentlich sollten Gesetze eine gewisse Bestandskraft haben. Doch beim PAG kommen die Änderungen mittlerweile im Halb-Jahres-Takt. Offensichtlich möchte das Innenministerium die bayerische Polizei möglichst schnell und umfassend mit geheimdienstlichen Befugnissen aufrüsten. Mit dem neuen PAG schafft die CSU eine Polizeibehörde, deren Vollmachten einzigartig in Deutschland sind. Nie hat es in Deutschland seit 1945 eine Polizei mit so umfassenden Rechten gegeben, in die Grundrechte der Bürger einzugreifen. Und alles, ohne dass eine Straftat geschehen wäre, auf bloßen Verdacht hin.“

Beschluss zur Erarbeitung eines gemeinsamen Musterpolizeigesetzes im Sommer 2017

Der bayerische Landesvater, unter dessen Regentschaft dieses Polizeiaufgabengesetz eingebracht wurde, wurde soeben Bundesinnen-, Bau- und Heimatminister. Schon im Sommer letzten Jahres haben sein Amtsvorgänger und die Innenminister der Bundesländer auf ihrer Frühjahrstagung beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzurichten [3]: Die die Aufgabe hat, ein Musterpolizeigesetz zu erarbeiten, das einheitliche, gemeinsame, gesetzliche Standards in allen Bundesländern für die Arbeit der Polizeibehörden im Rahmen der Gefahrenabwehr definieren soll. Denn Versäumnisse, zuletzt im Fall des Attentäters vom Breitscheidplatz, lagen – so behaupteten es der bisherige Bundesinnenminsiter De Maizière und seine Gefolgsleute – vor allem daran, dass es in den Ländern unterschiedliche Polizeigesetze gibt. Dieses angebliche Manko soll mit dem neuen einheitlichen Polizeigesetz für alle Länder, für das nun ein Muster erarbeitet wird, überwunden werden.

Verfassungswidrige Sicherheitsgesetze wären ganz in der Tradition der Vorgänger?!

Die neue Fassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes könnte sich als das Brautgeschenk des Horst Seehofer in seinem neuen Amt als Bundesinnenminister entpuppen: Als Forderungskatalog des neuen Bundesinnenministers an das künftige Musterpolizeigesetz für alle Bundesländer. Ob Seehofer damit Erfolg hat, wird die Zukunft zeigen. Sollte er damit durchkommen, kann er zumindest eine Tradition seiner Vorgänger aufrechterhalten. Gesetze vorzulegen, die Jahre später das Bundesverfassungsgericht kassiert. Doch bis dahin, so zeigt es die Erfahrung mit der Vorratsdatenspeicherung oder dem BKA-Gesetz, können die Sicherheitsbehörden ganz trefflich mit den (eigentlich verfassungswidrigen Bestimmungen) arbeiten.

Und ganz nebenbei – aber nicht ohne Absicht! – werden damit auch Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte, Föderalismus und Trennungsgebot (zwischen Polizei und Nachrichtendiensten) wieder ein Stück weiter ins Abseits geschoben.

Quellen

[1]   Neues Heimatministerium – Seehofer’s unzureichende Befugnisse, 14.03.2018, Tagesschau Online
https://www.tagesschau.de/inland/seehofer-heimatministerium-101.html

[2]   Bayerns neues Polizeiaufgabengesetz – unheimlich sicher, 07.02.2018, Claudia Stamm
http://claudia-stamm.de/2018/02/bayerns-neue-geheimpolizei/

[3]   206. Konferenz der Innenminister, 12. – 14.06.2017 in Dresden, dort Beschluss zu TOP 52 = Gesetzgeberische Handlungsempfehlungen im Zusammenhang mit islamistischem Terrorismus [sic!] https://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/2017-06-14_12/beschluesse.pdf?__blob=publicationFile&v=2

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